Schattenblick →INFOPOOL →UNTERHALTUNG → REISEN

METROPOL/001: London - Die dunkle Stadt mit roten Punkten (SB)


Die dunkle Stadt mit roten Punkten

Die Autorin

Die Autorin BVG - Es lebe Berlin! HVV - Der Rhythmus der Stadt!

TFL - "The next stop is Victoria. Please mind the gap between the train and the platform!"
Ausgespuckt! Da stehst du und jetzt? Kaum ist diese Frage formuliert, findest du dich wieder in einem Gang, laufend. Wo will ich hin? Egal, die Wahl wird mir sowieso abgenommen, denn dem Strom ist nicht zu entkommen.
Ausgespuckt! Der erste Gedanke: Kalt! Dann ein letztes Stolpern, Schieben. Leere und alles, was übrig bleibt, ein Schlottern aus der Tiefe und schleichende, starke Müdigkeit.
"Welcome abroad! Wilkomen in London!"
Nein, Moment... kein 'Willkommen'.
Etwas Unerwartetes kriecht meinen Rücken hoch, ich kenne es nicht. Und genau das ist der Moment, in dem ich mit IHR das erste Mal in Berührung komme. Ihr - der Stadt. London.
Sie - zusammengesetzt aus Zufälligkeiten. Sie - ein Netzwerk der Gegenläufigkeit.
Ihr - der Stadt! Europa! Der Welt!
Und mein wichtigster Anhaltspunkt vorerst: die Tube!
Ich schaue mich um und sehe vor mir einen der grössten Bahnhöfe der Stadt. Von hier fahren nationale sowie internationale Züge ab, außerdem kreuzen hier mehrere Linien der Tube, wie die Londoner U-Bahn so gut wie ausschließlich genannt wird. Draussen fahren die weltberühmten Londoner Doppeldeckerbusse fast wie ein roter Faden ununterbrochen zum Bahnhof hin und wieder weg. Circa 60% der Busse auf den 684 Linien sind Doppeldecker, allerdings gibt es auch die ganz normalen einstöckigen Exemplare. Nicht umsonst also ist Englands Hauptstadt berühmt für ihre zweistöckigen, roten Farbflecken, die wie kaum eine andere Komponente sowohl zuverlässig flächendeckend als auch auffällig das Stadtbild bestimmen. So gab es vor einigen Jahren viel Presse und ein großes Aufstöhnen in der Bevölkerung, als der legendäre 'Routemaster', der klassische, alte Doppeldecker-Bus aus dem Verkehr gezogen wurde und gegen ein moderneres rotes, aber von Grund auf anderes Exemplar ersetzt wurde. Gerüchten nach soll die Geschichte dieses offenen Busses mit dem 'Schaffner' in nicht allzu ferner Zukunft neu aufleben und der beliebte Routemaster wieder die Straßen besiedeln, genaueres ist darüber aber nicht herauszufinden. Und so bleibt denen, die zu spät kamen, für diesen Teil des Londoner Lebensgefühls - das Aufspringen an jeder beliebigen Ampel - die alte Optik, die ohnehin in der Stadt sehr verbreitet ist, rot unterstrichen vorzufinden, eine Erinnerung also daran, welche vergessenen Freiheiten vielleicht in dem Alten versteckt liegen - nur das Nachspüren auf einigen verbliebenen Routemaster Linien, die zumeist die Touristenstrecken in der City abdecken.

Hinter mir ist die nach merkwürdig staubigen Metallen riechende Treppe, die in den Untergrund führt, weg von Victoria und tiefer in das, worauf ich mich eingelassen habe:
Eine Stadt, von der ich damals nicht ahnen konnte, wie schmerzhaft sie mir bewußt machen wird, dass ihr großes Versprechen nichts ist im Vergleich zu dem, was sie wirklich bietet. Dass jedoch das, was sie bietet, mit Sicherheit nicht ist, was man erwartet, geschweigedenn erhofft hat, und ein Satz, den ich irgendwo mal gehört habe, dominiert meinen Alltag mehr, als jedes erfüllte Versprechen:
'Die Großstadt ist ein Experiment, das nicht funktioniert hat.'

Durch Ernüchterung gefütterte Faszination ist es nun also, was diese Berichte verfassen wird, aus einer Stadt, die in meinen Briefen an Freunde auch oft als 'Dark City' tituliert wird, in Anlehnung an einen gleichnamigen Film aus den 80er Jahren.
Was es damit auf sich hat, sowie einiges mehr, wird folgen, nicht selten begleitet vom London Transport der den Rhythmus und das Leben hier maßgeblich beeinflusst.

Grüße also aus der Dunklen Stadt
BB

9. Juni 2009