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TOURTIP/1006: Die ungarische Puszta - Das größte Naturschutzgebiet mitten in Europa (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 170 - Oktober/November 2012
Die Berliner Umweltzeitung

INTERNATIONAL
Die ungarische Puszta
Das größte Naturschutzgebiet mitten in Europa

von Volker Voss



In der ungarischen Puszta angekommen, weitab von der quirligen Donaumetropole Budapest, bietet sich dem Naturliebhaber eine fast unendliche, mit Gras bewachsene Steppenlandschaft mit Moorwiesen, Altauen der Flüsse, Salzseen, Treibsandflächen, historischen Gebäuden, vielen heimischen Tieren und seltenen Pflanzen. Der größte und bekannteste Nationalpark in der Puszta, 1999 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen, ist der Hortobágyer Nationalpark (Hortobágyi Nemzeti Park), der sich über eine Fläche von etwa 800 Quadratkilometer erstreckt. Im Rahmen der "Herausragenden europäischen Reiseziele" wurde die Region Hortobágy zudem mit der Auszeichnung "Ungarns beste traditionsbewusste Destination" versehen.

Längst hat sich diese Landschaft zu einem Anziehungspunkt für Naturliebhaber aus dem In- und Ausland entwickelt. Die Interessen derjenigen, die diese Region besuchen, sind jedoch recht unterschiedlich: "Die ausländischen Touristen, die hierher kommen, wollen meistens Puszta-Romantik erleben. Sie nutzen gern die angebotenen Programme wie Kutschfahrten durch das Weidegebiet, wo einige von den alten ungarischen Haustierrassen, wie die Graurinder, die Nonius-Pferde, Wasserbüffel, Zackelschafe und Mangalica-Schweine besichtigt werden können", berichtet László Lisztes vom Hortobágyer Nationalpark-Büro. Ein kleiner, aber um so begeisterter Teil der Touristen, also die Ökotouristen, auch "Birder" genannt, interessieren sich für die Werte der Natur, führt er weiter aus.


Alte Traditionen bewahrt

Hier, wo Tierhaltung seit Jahrhunderten in alter, traditioneller Weise betrieben wird und sich eine ebenso traditionelle Hirtenkultur mit ihren eigentümlichen, regionalen Volkstrachten erhalten hat, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Puszta gilt heute als Beispiel für nachhaltigen Naturschutz, nachdem allerdings vor Jahrhunderten diese Landschaft durch Menschenhand weitgehend ihrer Ursprünglichkeit beraubt wurde. Denn die Puszta (zu Deutsch: Einöde) war einst eine Steppenlandschaft mit Waldbeständen, die während der 160-jährigen Türkenherrschaft großflächig gerodet wurden. Um Überschwemmungen zu verhindern, wurden Dämme errichtet, Sümpfe trockengelegt, wodurch die Versteppung der Landschaft eingeleitet wurde. Nichtsdestotrotz wurde das Land immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich die Natur diese Gebiete wieder "zurückerobert", und so sind einzigartige Landschaften entstanden, die heute unter Naturschutz stehen. Insgesamt gibt es in der Puszta zehn Nationalparks.

"Der Einschätzung der UNESCO-Kommission zufolge ist die ungarische Puszta ein hervorragendes Beispiel für die seit Jahrtausenden angewandte Bodennutzung, die eine dauerhafte Symbiose zwischen Natur und Mensch ermöglicht hat", zitiert der Biologe László Lisztes. Lange vor der Aufnahme des Nationalparks von Hortobágy in die UNESCO-Liste als Kulturerbe wurde das Gebiet zu einem Biosphärenreservat erklärt und genoss bereits großes internationales Ansehen. Später wurde es in die Reihe der international anerkannten Lebensräume für Wasservögel nach dem Abkommen von Ramsar als Mitglied der EUROPARC Föderation aufgenommen. Hier gibt es viele Vogelarten wie beispielsweise Reiher, Kraniche und die europaweit immer seltener werdende Großtrappe sowie Seggenrohrsänger und den Triel, um nur einige zu nennen.

Viele, die Hortobágy besuchen, kommen gar ins Schwärmen: "Über uns der blaue Himmel und die Sonne im Zenit, darunter das frische, saftige Gras, das von den sanften Wogen des Windes wie schon seit Jahrtausenden hin- und her bewegt wird. Nur ganz vereinzelt Bäume, die als Schattenspender für die Tiere im Nationalpark dienen. Dies ist der erste und unvergessliche Eindruck, den wir von der Puszta bekommen", schildern die Schüler des Gymnasiums Neutraubling aus Bayern, die im Juni 2010 im Rahmen des Schüleraustauschprojekts "Umwelt baut Brücken" den Nationalpark besuchten.

Den Besuchern bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, das Naturschutzgebiet mit seinen Eigentümlichkeiten ausgiebig zu erkunden. Als erste Anlaufstelle dienen das Informationszentrum und der Handwerkerhof. Es werden regelmäßig Programme durchgeführt wie Naturkundeausstellungen und Führungen durch den Nationalpark. Des Weiteren gibt es ausgewiesene Lehrpfade und Fahrradwege, von denen aus sich die Pflanzen- und Tierwelt direkt aus nächster Nähe beobachten lässt. Zudem werden in den Unterrichtsräumen und dem Multimediaraum Fachprogramme organisiert. Außerdem laden der Puszta-Tierpark, das Hirtenmuseum und das Mátaer Gestüt, das auf eine 300-jährige Geschichte zurückblicken kann, zu individuellen Erkundungsaktivitäten ein. Ebenso werden Fahrten mit der Schmalspurbahn angeboten. Auf dem Gebiet der Pferdezucht kooperiert der Nationalpark von Hortobágy mit dem Kölner und dem Prager Zoo. Gemeinsames Ziel ist es, die Population der Przewalski-Pferde zu vergrößern, die im 19. Jahrhundert nahezu ausgestorben war. Auf den Weiden des Nationalparks leben heute etwa 240 Exemplare dieser Wildpferdrasse, berichtet László Lisztes.

Die meisten Besucher des Naturparks, etwa zwei Drittel, sind Ungarn, ungefähr ein Drittel kommt aus dem Ausland. Von den ausländischen Touristen wiederum stammen etwa 10 Prozent aus dem deutschsprachigen Raum. Hortobágy erreicht man beispielsweise mit der Bahn vom Budapester Ostbahnhof/Keleti Pu. in zwei Stunden, 45 Minuten.


Heimische Bio-Gerichte

Schon im vorigen beziehungsweise vorletzten Jahrhundert zog diese Gegend viele Auswärtige an. Anziehungspunkt für "für müde und durstige Reisende" war damals wie heute schon das Gasthaus Hortobágyer Csárda. In der Gaststätte des 1699 errichteten, denkmalgeschützten Gebäudes werden dem Gast heute heimische Bio-Gerichte serviert. Dort gab sich einst schon die ungarische Kulturszene ein Stelldichein, unter ihnen so berühmte Komponisten wie Ferenc Liszt, Bela Bartók und Zoltán Kodály. Der ungarische Dichter und Volksheld der ungarischen Revolution von 1848, Sándor Petöfi (1823-1849), auf den die Hortobágyer Weine einen ganz besonderen Reiz ausübten, schrieb hier in voller Leidenschaft das Gedicht: "Die Hortobágyer Wirtin" - für eben jene Wirtin, die ihm in dieser historischen Gaststätte den Wein, wenn auch nicht in der gewünschten Geschmacksrichtung, wohl reichlich einschenkte:

Hortobágyer Wirtin, süßer Engel mein,
Trinken will ich, bring' doch eine Flasche Wein!
Hei, von Debreczin bis Hortobágy ist's weit,
Und den ganzen Weg her bin ich durstig heut'!
...
Schönes Weibchen ... saurer Wein ...
und... süßer Kuß ...
Ei, wie schwank' ich hin und her ...
wie wankt mein Fuß ...
Süße Wirtin, ... halte mich doch im
Arm ... (Auszug)

Weitere Infos und Termine:
www.hnp.hu

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 170 - Oktober/November 2012, S. 19
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
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Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2012