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TOURTIP/1007: Urlärchen aus der Römerzeit? (Unser Wald)


Unser Wald - 3. Ausgabe, Mai/Juni 2012
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Baum des Jahres 2012
Urlärchen aus der Römerzeit?

von Hubert Rößner



Der Baum des Jahres stößt überall auf großes Interesse. Das zeigen einerseits die voll ausgebuchten Veranstaltungen zur Lärche und andererseits die große Nachfrage nach Informationsmaterialien. Auch am diesjährigen Tag des Baumes wurden zahlreiche Lärchen gepflanzt. Hubert Rößner ging für Unser Wald auf die Suche nach uralten Exemplaren.

Der Südtiroler Arzt Dr. Pardeller hatte sie 1930 gezählt, die Jahrringe der vom Sturm gefällten alten Lärche bei St. Gertraud im hinteren Ultental, südwestlich von Meran. 2.015 Ringe hatte er gefunden, die Lärche wäre also zur Zeit von Kaiser Augustus und Jesus von Nazareth als junges Bäumchen herangewachsen!

Heute stehen noch drei "Urlärchen" am Hang gleich oberhalb der Außerlahnhöfe auf 1.450 m Höhe im Ultental. Noch um 1900 sollen es neun gewesen sein, als Lawinenschutz von alters her streng gehütet. Warum so viele dann verschwanden, ist nicht geklärt. Die stärkste der Überlebenden hat einen Umfang von rund 8,50 m und 34,5 m Höhe. Der Gipfel fehlt allerdings, sie war sicher früher noch um einiges höher.

Gruppe von 'Urlärchen' im Ultental, Südtirol - © Hubert Rößner

Jede Lärche für sich ist beeindruckend
© Hubert Rößner

Der Nachbarbaum mit sieben Meter Umfang erreicht 36,5 m Höhe. Der Gipfel fehlt auch bei ihm, und die obersten zwölf Meter ragen kahl und dürr zum Himmel. An diesem Baum hat man 2002 in 6,5 Meter Höhe Bohrkerne entnommen und daraus durch Rückrechnung und Vergleich mit jüngeren benachbarten Lärchen das Alter möglichst gewissenhaft geschätzt. Es ergab sich ein Alter von 750 bis 950, wahrscheinlich um die 850 Jahre - etwa die Zeit des großen Kaisers Friedrich Barbarossa. Der dritte Baum ist wesentlich schwächer und schon vor langem gebrochen; sein inzwischen nachgewachsener Ersatzgipfel hat gerade mal 22,5 m Höhe erreicht.

Eine der 'Urlärchen' mit fehlendem Gipfel, dahinter Ultental und Berge - © Hubert Rößner Gebrochene Lärche mit Ersatzgipfel - © Hubert Rößner

© Hubert Rößner

Nahebei zieht sich ein Seitental nach Süden zur Pichlalm "im Klapfberg". Dort finden sich hoch oben in 2.100 Meter Höhe zwei weitere sehr alte Lärchen mit einem Umfang von rund vier Metern und Höhen von 23 und 26 Metern. Auch hier sind beide Gipfel dürr und gebrochen. Ihr Alter wird mit 700 bis 1000, also gemittelt ebenfalls etwa 850 Jahren, angenommen. Angesichts dieser Daten betrachte ich allerdings die o.g. Angaben des Dr. Pardeller von 1930 doch mit großem Misstrauen.

Auf dem Bild: unterer Stamm des Baums bis ca. 8 Meter in die Höhe, 2 Menschen mit Hund auf dem Bild machen sich winzig aus - © Hubert Rößner

© Hubert Rößner

Wie findet man sie? Vom Ort Lana bei Meran führt eine Bergstraße zunächst steil aufwärts, später eher gemütlich rund 30 Kilometer durch das freundliche Gebirgstal, vorbei an einem langgestreckten Stausee, bis kurz vor dem Dörfchen St. Gertraud. Überall in den weiten Berghängen sieht man reichlich Lärchen. Besonders im Frühjahr und im Herbst sind sie durch ihre auffallende Färbung gut von den Fichten zu unterscheiden. Die drei gewaltigen Ur-Bäume erreicht man recht bequem mit dem Auto, nur gut 100 Meter geht es auf mäßig steilem Bergpfad vom zünftigen Brotzeit-Stüberl zu Fuß hinauf. Die imposanten Gestalten bieten einen unvergesslichen Anblick; andächtig und ehrfürchtig werden wir vor ihrer Größe und ihrem Alter. Ihr helles Maiengrün entzückt ebenso wie ihr herbstlich brennendes, intensives Orangerot im Oktober. Jeder, der sich ein wenig für alte Bäume interessiert, sollte sie einmal im Leben gesehen und bewundert haben - ich war im Lauf der Jahre schon dreimal dort.

Lärchen in 'herbstlich brennendem, intensiven Orangerot' - © Hubert Rößner

'Herbst im Lärchenland' - Mieming, Tirol
© Hubert Rößner

Zwischen Ende Oktober und Februar stehen sie immerzu voll im Schatten - die vorgelagerten hohen Berge halten jeden Sonnenstrahl ab. Sie gehören schon zum Vorfeld des über 3.700 Meter hohen, vergletscherten Ortler-Massivs. Die beiden Lärchen hoch oben bei der Pichlalm erfordern einen gut zweistündigen Aufstieg. Sie stehen im lockeren Fichten-Lärchen-Wald etwa 100 Meter über der Alm.

Von Zeit und Wetter gezeichneter Fuß einer Lärche - © Hubert Rößner

Ein Baum mit langer Geschichte
© Hubert Rößner



© für Text und Bilder by Hubert Rößner

Hubert Rößner aus Kempten ist Mitglied in der SDW Bayern.

Kontakt:
Hubert Rößner
Am Letter 12
87448 Waltenhofen
Telefon/Fax: 08379 / 92 96 04

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
3. Ausgabe, Mai/Juni 2012, Seite 19
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
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Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2012