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TOURTIP/1010: Unter Bäumen - Rhododendronblüte (Hubert Rößner)


Baum-Exoten und Rhododendren im Hopfener Wald

von Hubert Rößner



Jedes Jahr im Juni pilgern Einheimische, Urlauber und Kurgäste von Hopfen bei Füssen hinauf in den nahen Wald beim "Vogelbauer", um die Rhododendron-Blüte zu bestaunen. Mindestens sechs verschiedene Varietäten prangen hier in bunten Farben: Reinweiß, rosa, hellrot, dunkelrot, lila und weiß mit violetten Tupfen leuchten die prächtigen Dolden auf den über mannshohen, undurchdringlichen Gebüschen zwischen den glänzend dunkelgrünen, lederigen Blättern. Es sind die einzigen Vertreter ihrer Familie, die sozusagen "wild" in unserer Gegend wachsen. Heimisch sind sie im Himalaya, in Japan und Südchina, sowie in Nordamerika; ja, sogar in den höheren Lagen der tropischen Vulkane auf Java, Sumatra und Neuguinea kommen welche vor. Im ganzen gibt es rund 800 verschiedene Arten in den Gebirgszonen der Erde. Bei uns in den Allgäuer und den angrenzenden österreichischen Alpen gedeihen nur die vergleichsweise kleinen zwei Arten der Alpenrose, die manche Hänge so dicht besiedeln, daß man meint, einen rosaroten Teppich vor sich zu haben.

Nicht alle im Hopfener Wald wachsenden sechs Arten blühen genau zur gleichen Zeit; zwischen Anfang und Mitte Juni wechselt die Hochsaison von einer Farbvariante zur anderen. Der Blütezeitpunkt hängt natürlich auch etwas vom Witterungsverlauf des Frühjahrs ab, und von der Belichtung - die mehr besonnten Partien sind früher dran als die stärker im Schatten liegenden.


Wie kommen Rhododendren nach Hopfen?

Vor ziemlich genau 100 Jahren besuchte ein Bankier aus England, der in Frankfurt lebte und den nicht sehr englischen Namen de Neufville trug, das damals noch sehr ländliche Dörfchen am See. Er wanderte über die Hänge hinauf zum Wald und verliebte sich in den großartigen Rundblick von da oben auf die Alpenkette mit dem Säuling, den Königsschlössern und dem lieblichen Hügelland um den friedlichen See. Kurz entschlossen kaufte er 1907 zwei Bauernhöfe oberhalb des Dorfes, den "Vogelbauer" und den "Kasimir" mit Wiesen, Wald und Weideland, im ganzen ein Areal von rund 40 Hektar.

Der Bankmann hatte vor, hier einen Naturpark mit einem Erholungszentrum - eine Art Sanatorium mit Spazierwegen und abwechslungsreichen Ausblicken, und auch eine direkte Straße zum Bahnhof in Füssen anzulegen. Und weil Bäume ja langsam wachsen, ließ er als erstes viele Gehölze anpflanzen - einheimische und dekorative fremdländische aus allen Teilen der Welt, darunter auch die verschiedenen Rhododendren. Der saure Sandsteinboden behagte diesen so gut, daß sie sich nicht nur bis heute gehalten haben, sondern sogar an mehreren Stellen sich natürlich durch Samen ausgebreitet haben. Diese Ausbreitung hätte noch wesentlich mehr Erfolg, wenn nicht die Rehe den Nachwuchs abfressen würden.

Aber vielleicht sind auch wir Menschen nicht unschuldig: Anscheinend nimmt mancher Besucher so ein junges Pflänzchen mit, um es zuhause in den Garten zu setzen, was wohl meistens mit einem Mißerfolg endet. Auch der starke Schatten schadet den Rhododendren: Einheimische versichern, daß die Blüte vor Jahrzehnten wesentlich üppiger gewesen sei. Inzwischen sind die Fichten in der direkten Nachbarschaft der Büsche so in die Höhe und Breite gewachsen, daß die Rhododendren nicht mehr genug Sonne bekommen, weniger Laub und folglich auch weniger Blüten entwickeln. Hier sollte dringend Abhilfe geschaffen werden, indem man die schlimmsten Bedränger entfernt.

De Neufville starb 1924; er hatte erleben müssen, daß seine groß angelegten Pläne sich nicht verwirklichen ließen. So wandelte er in seinem Testament den Besitz in eine Familienstiftung um, zur Unterstützung bedürftiger Mitglieder aus dem Geschlecht der de Neufville. Er bestimmte, daß eine Villa gebaut wurde, in der alle Träger dieses Namens kostenlos Urlaub machen können. Diese Villa, das sogenannte Schweizer Haus, kann man an den mit dem Schweizer Kreuz in weiß und rot gestrichenen Fensterläden am Weg zum Vogelbauer leicht erkennen.


Seltene fremdländische Bäume

Nicht nur die Rhododendren ließ der Engländer anpflanzen, auch eine ganze Palette von Bäumen aus fernen Ländern brachte er nach Hopfen. Auf Lichtungen und Lücken seines überwiegend aus Fichten bestehenden Waldes wurden nordamerikanische, ostasiatische und mediterrane Arten angesiedelt. Gleich neben dem Vogelbauerhof auf der Wiese finden wir eine prächtig gewachsene, weitausladende Edelkastanie - schon ein kleines Wunder, daß sie hier auf rund 900 Meter Höhe so gut gedeiht!

Weiter oben am Hang leuchten ebenfalls im Juni hübsche weiße Blüten zwischen auffallend großen ovalen Blättern - sie können über 20 cm lang und 15 cm breit sein - an einem etwa 15 Meter hohen Baum - eine Gurkenmagnolie aus dem Südosten der USA, die im Herbst korallenrote Früchte trägt, die an kleine Gurken erinnern. Eine zweite, die gleich daneben stand, hat vor einigen Jahren der Sturm geworfen, sie treibt immer wieder vom Wurzelstock neue Schößlinge, die aber von den Rehen so abgebissen werden, daß sie nicht gedeihen. Ein Stück weiter finden wir eine Krimlinde mit den typischen grünlichen Zweigen, und einen ganzen Hain von verschiedenen Eichenarten, darunter auch nordamerikanische Roteichen, kenntlich an den spitzgelappten Blätter und den rundlichen braunen Eicheln.


Tannen aus vielen Ländern

Außer unserer einheimischen Weißtanne treffen wir die hübsche Colorado-Tanne mit ihren bläulich-grauen, langen gebogenen Nadeln - sie kommt aus dem Südwesten der USA - und zwei mächtige Exemplare der pazifischen Großen Küstentanne, die sogar schon für Nachwuchs in ihrer Nachbarschaft gesorgt haben. Sie hat glänzend grüne, große, nach Orangen duftende Nadeln und erreicht in ihrer Heimat bis zu 90 Meter Höhe. Auch hier in Hopfen zeigt sie den besten Wuchs unter allen Konkurrenten mit einem Meter Durchmesser und über 30 Meter Höhe. Nicht umsonst trägt sie ja den Beinamen "grandis"! Neben der Spanischen Tanne aus der Sierra Nevada steht die Griechische vom Peloponnes mit ihren stechend spitzen, harten Nadeln und eine Nordmannstanne, die ja nicht, wie oft vermutet wird, aus Skandinavien stammt, sondern von einem Botaniker namens Nordmann im Kaukasus entdeckt worden ist. Heute ist diese Art wegen ihrer dichten, kräftigen Zweige und ihrer üppigen Benadelung bei uns zum beliebten Weihnachtsbaum geworden und wird in eigenen Plantagen nachgezogen.


Sciadopitys verticillata

Aus den Bergen Japans kommt dieser schlanke, langsamwüchsige, aber völlig frostharte Baum mit dem fast unaussprechlichen Namen. Bei uns heißt er "Japanische Schirmtanne". Zwei Vertreter seiner Art wachsen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Rhododendren. Ihre über zehn Zentimeter langen, sehr breiten Nadeln sind wie die Speichen eines Regenschirms in Quirlen von bis zu 15 Stück rings um die Zweige angeordnet. Die Zapfen gleichen nach Größe und Form etwa braunen Hühnereiern und enthalten bis zu 50 Samenkerne.

Verteilt im Gelände finden wir noch verschiedene Arten der Gattung Tsuga, auch Hemlocktanne genannt, mit ihren besonders kurzen, stumpfen Nadeln und den winzigen, nur ein bis zwei Zentimeter langen Zäpfchen: Die Kanadische Tsuga aus dem Nordosten von Nordamerika, ihre wesentlich kleinwüchsigere Schwester aus dem Westen, die von Kalifornien bis Alaska die Küstengebirge besiedelt, und ein Exemplar der bei uns sehr seltenen, schmal säulenförmigen Berg-Hemlocktanne, die besonders gut an die starken Schneefälle in den Hochlagen der Rocky Mountains und im Yellowstone-Nationalpark angepaßt ist. Eine Rarität stellt auch die kleinwüchsige, sehr schwache Carolina-Tsuga dar, die nur im wärmeren Südosten der USA von Natur aus vorkommt.

Die Schwarzkiefer aus Korsika mit ihren düster dunkelgrünen Nadeln, eine Douglasie aus Oregon, kenntlich an den relativ kleinen Zapfen mit den zwischen den Schuppen hervorstehenden zusätzlichen Deckschuppen, sowie einige Orientalische Fichten aus dem Kaukasus, bei denen die Nadeln extrem kurz und dünn sind, ergänzen die Palette der exotischen Bäume.


Die Rebhuhnbeere

Ein hübscher amerikanischer Zwergstrauch hat in Hopfen ebenfalls seit 100 Jahren überlebt: Die Rebhuhnbeere ist eine Verwandte unserer Heidel- und Preiselbeeren, sie ist in den Wäldern rund um die Großen Seen daheim, wird bis zu einem Meter hoch, blüht mit rötlich-weißen, zierlichen Glöckchen ähnlich unserem Maiglöckchen und trägt im Herbst dunkelrote, ebenfalls eßbare Beeren. Die Rehe im Hopfener Wald lieben sie leider ganz besonders, so kommen die Pflanzen kaum zum Blühen und zur Fruchtentwicklung, sie können sich gerade so, am Boden kriechend, am Leben erhalten. Zusammen mit Rhododendron, Azaleen und dem mediterranen Erdbeerbaum gehören sie zu den Erica-Gewächsen; sie alle gedeihen gut auf sandigem, saurem Boden, wie er hier als Verwitterungsprodukt des kreidezeitlichen Flysch-Sandsteins ansteht.


Naturlehrpfad total vergammelt

Vor etwa zwanzig Jahren hatte jemand zwischen dem "Vogelbauer" und den Resten der einstigen Hopfener Burg im Westen einen Naturlehrpfad angelegt, der aber inzwischen mangels Pflege völlig verfallen ist. Auch etliche der hier genannten Bäume waren dabei auf Tafeln erläutert, ein Hinweis auf die Rhododendren fehlte nicht. Es wäre höchste Zeit, diesen Pfad neu zu gestalten, vielleicht zu einem Rundweg zusammen mit dem Burgstall, wo seit einigen Jahren kräftig ausgegraben und restauriert wird. Herr Alfred Keller, der Vorstand des Hopfener Verkehrsvereins, sieht jedoch wegen Geldmangel dazu keine Möglichkeit.

Viele der geschilderten seltenen Bäume, besonders die Tannen, Tsugas und Roteichen, fühlen sich im Hopfener Asyl so wohl, daß sie sich auch reichlich natürlich verjüngen und damit ihre Art für die Zukunft bewahren würden, wenn nicht die lieben Rehlein, die hier offenbar noch allzu zahlreich gehegt werden, jeglichem Jungwuchs rasch ein Ende machten. Überall kann man zu Bonsai-Formen zerbissene Jungbäumchen und Keimlinge antreffen. Auch hier könnte man mit einigen wilddichten Zäunen leicht abhelfen. Wie es aber zur Zeit ausschaut, dürfte dieses einmalige Naturdenkmal wohl bald infolge Überalterung verschwunden sein, weil niemand sich für seinen Schutz und seine Erhaltung verantwortlich fühlt.


Der Weg dahin

Zu finden sind die Rhododendren und die übrigen dendrologischen Besonderheiten am Hang oberhalb des Ortes Hopfen, westlich vom Ortsteil Enzensberg mit seiner großen Kurklinik. Ein gut ausgebauter Horizontalweg führt vorbei am "Schweizerhaus" und dem "Vogelbauer" vorbei in Richtung der Burgruine. Man gelangt in den Wald, hier führt zunächst nach rechts ein ziemlich verfallener Seitenweg aufwärts zu den beiden Gurkenmagnolien, zur Krimlinde und zu weiteren Baum-Exoten. Wenn man auf dem Horizontalweg bleibt, erreicht man nach weiteren etwa 300 Metern einen gepflegten zweiten Abzweig nach rechts. Auf ihm gelangt man nach knapp 100 Metern zum Quartier der Rhododendren. Die übrigen Exoten - besser Gastbaumarten genannt - stehen einzeln oder in Gruppen nahebei im Wald.


Hubert Rößner aus Kempten ist Mitglied in der SDW Bayern.

Kontakt:
Hubert Rößner
Am Letter 12
87448 Waltenhofen
Telefon/Fax: 08379 / 92 96 04

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Quelle:
© 2013 by Hubert Rößner
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2013