Schattenblick →INFOPOOL →UNTERHALTUNG → REISEN

TOURTIP/881: Der Dithmarscher Speicherkoog in Schleswig-Holstein (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2008

Beobachtungstipp

Der Dithmarscher Speicherkoog in Schleswig-Holstein
Wat- und Wasservögel hinter dem Deich


Im Norden wird die Dithmarscher Marsch, in der sich der Speicherkoog befindet, von der Eider und im Süden von der Niederelbe begrenzt. Der Geestrand stellt die östliche Grenze dar, im Westen schließt die Dithmarscher Marsch das Wattenmeer und die Außensande mit ein.

Die Dithmarscher Marsch entstand vor etwa 3500 Jahren. Kies und Sand, die von der Geest abgetragen wurden, lagerten sich vor der Küste ab, es bildeten sich Nehrungen, später Sümpfe und Moore. Im 19. Jahrhundert begann man damit, Land einzudeichen. Ziel war es, Schutz vor Sturmfluten zu schaffen und weitere landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen. Diese eingedeichten Flächen werden als Köge bezeichnet. Der jüngste Koog ist der Dithmarscher Speicherkoog (auch Helmsander oder Meldorfer Koog genannt). Er wurde im Jahr 1978 fertig gestellt und dient dem Schutz des Hinterlands.

Heute wird die Dithmarscher Marsch intensiv landwirtschaftlich genutzt, die ältere Marsch als Grünland, die jüngere als Ackerland. Eine weitere Landnutzung, die dem Vogelbeobachter heute ins Auge sticht, sind die Windenergieanlagen, die das Bild der ehemals offenen Landschaft prägen. In den Kögen entstanden durch extensive Nutzung oder Nutzungsaufgabe großflächige Sumpflandschaften mit Röhrichten und Weidengebüschen. Diese Flächen sollen den Eingriff des Deichbaus zum Teil ausgleichen, da durch diese Küstenschutzmaßnahme große Flächen an Watt und Salzwiesen verloren gingen. Heute existieren zwei Naturschutzgebiete im Dithmarscher Speicherkoog: Das Kronenloch im Süden (532 ha) und das Wöhrdener Loch (395 ha) im Nordwesten. Beide Gebiete bieten sehr gute Möglichkeiten für Vogelbeobachter.

Lebensräume

Im NSG Kronenloch, das vor der Eindeichung überwiegend aus Watt bestand, gibt es heute sowohl von Salz- als auch von Süßwasser beeinflusste Lebensräume. Salzwasser wird bei Flut in das Gebiet geleitet. Über das benachbarte Speicherbecken wird es der Nordsee wieder zugeführt. Dadurch werden Ebbe und Flut nachgeahmt. Auf tiefer liegenden Flächen gibt es Salzwiesen, großflächig finden sich Röhrichte, die mit Weidengebüschen durchsetzt sind. Eine Halbinsel, die große Teile des Kronenlochs einnimmt, ist vollständig verbuscht. Die Lebensräume unterliegen einer starken Sukzession. Die Entwicklung der Landflächen wird hier weitgehend sich selbst überlassen. So verschilft die ehemals recht offene, vegetationsarme Landschaft zunehmend. Wo früher Seeschwalben brüteten, singen heute Rohrsänger. Doch noch immer gibt es große Wasser- und Schlammflächen, die wichtiger Rast- und Überwinterungslebensraum für Wasser- bzw. Watvögel sind.

Im NSG Wöhrdener Loch ist der Salzwasserzufluss weitgehend unterbrochen und es kommt zur Aussüßung. Doch strömt kontinuierlich Salzwasser unter dem Deich ins Gebiet, sodass neben Süß- auch noch Brackwasser- und Salzwiesenvegetation vorhanden sind. Auch hier sind auf ehemaligen Wattflächen Röhrichte ausgebildet, daneben auch Weiden, Sanddorn und andere Sträucher. Doch der Sukzession wird durch ein Beweidungsmanagement mit Konikpferden, Gallowayrindern und Schafen entgegengesteuert. So bleiben - im Sinne des Wiesenvogelschutzes - offene Flächen erhalten.

Besondere Vogelarten

Die Naturschutzgebiete im Dithmarscher Speicherkoog eignen sich vor allem zur Beobachtung von Wat- und Wasservögeln. Zur Zugzeit kann man große Rastbestände von mehreren Tausend Vögeln sehen. Dann sind Kiebitze, Kiebitzregenpfeifer, Austernfischer, Alpen- und Sichelstrandläufer, Grünschenkel, Dunkle Wasserläufer, Große Brachvögel, Regenbrachvögel, sowie Ufer- und Pfuhlschnepfen nicht zu übersehen. Bereits ohne Spektiv kann man Säbelschnäbler - und auch den einen oder anderen Löffler - als weiße Punkte erkennen. Am Ufer und auf den Sandbänken sitzen Flussseeschwalben, Sandregenpfeifer und Kiebitze, und aus der Luft halten Rohr- und Wiesenweihe nach Nahrung Ausschau. Im Winter werden sie von Wanderfalke, Kornweihe und Raufußbussard "abgelöst". Auch Uferschwalben fliegen in großer Zahl Nahrung suchend umher. Besonders im Winter kann man große Trupps von Enten und Gänsen finden: Pfeifenten, Weißwangengänse und Singschwäne sind die wohl bekanntesten Vertreter. Daneben sind dann Bläss- und Graugänse in großer Zahl im Gebiet. Sie nutzen die Wasserflächen und das Grünland zur Nahrungssuche und als Ruheplätze. Auch Haubentaucher sind auf vielen Gewässern zu sehen. Sie brüten neben Blässhuhn und Schilfrohrsänger in den frühen Sukzessionsstadien. Bartmeise und Rohrweihe sind ebenfalls regelmäßige Brutvögel im Koog. Auf den Grünlandflächen brüten mit Feldlerche, Kiebitz und Uferschnepfe typische Wiesenvögel. Im Winter lassen sich regelmäßig auch Berghänflinge im Dithmarscher Speicherkoog beobachten, die der Nahrungsknappheit in ihren skandinavischen Brutgebieten ausweichen.

Im Dithmarscher Speicherkoog hat man zudem sehr gute Chancen auch die eine oder andere in Deutschland seltene Vogelart zu Gesicht zu bekommen. Vor allem einige nordische Arten sind regelmäßig anzutreffen. Wer zur richtigen Jahreszeit ins Gebiet kommt, braucht nicht viel Glück, um Odinshühnchen, Sumpfläufer oder Raubseeschwalben zu sehen. Auch Graubruststrandläufer, Thorshühnchen und Teichwasserläufer sind Gäste, jedoch seltener. Terekwasserläufer werden zwar auch gelegentlich im Dithmarscher Speicherkoog beobachtet, sie sind jedoch im nahe gelegenen Katinger Watt mit höherer Wahrscheinlichkeit anzutreffen.

Reisezeit

Der Dithmarscher Speicherkoog ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Im Frühjahr sind durchziehende Limikolen, z. B. Alpenstrandläufer, Regenpfeifer und Große Brachvögel, zu sehen und daneben auch noch einige Wintergäste. Im Sommer kann man v.a. brütende Singvögel und einige Entenarten beobachten. Der Spätsommer/Frühherbst ist wohl die beste Reisezeit, da man dann neben großen Limikolentrupps und vielen Enten auch die eine oder andere seltenere Art wie Sumpfläufer oder Odinshühnchen zu Gesicht bekommen kann. Im Spätherbst und Winter nutzen viele Enten und Gänse den Dithmarscher Speicherkoog, daneben Kornweihe und Raufußbussard und auch einige Limikolen (z. B. Große Brachvögel).

Beobachtungsmöglichkeiten

Teile des Kronenlochs kann man sehr gut von einem Beobachtungsturm überblicken. Dieser bzw. der dazugehörige Parkplatz befindet sich direkt an der Straße, die von Meldorf aus ins Gebiet führt. Er ist daher nicht zu übersehen. Von hier aus kann man Wasser- und Schlammflächen im Osten und Westen überblicken, die Beobachtungsdistanzen können jedoch z. T. recht groß sein. Vor dem Turm gibt es eine kleine Sandbank, auf der sich - meist einige wenige, aber dafür in geringer Entfernung - rastende Limikolen, Enten und Seeschwalben aufhalten. Große Teile des Kronenlochs sind nur schwer einzusehen, geeignete Stellen sind beispielsweise östlich des Turms an der Straße, wo die Vegetation noch recht niedrig ist. Ein guter Beobachtungspunkt befindet sich auch an der Straße ein bis zwei Kilometer südlich des Nationalparkhauses. Die Straße ist jedoch für PKW gesperrt, sodass man die Strecke zu Fuß oder per Rad zurücklegen muss.

Gegenüber dem Nationalparkhaus befindet sich eine Beobachtungshütte, von der aus man über die westlichen Wasserflächen des NSG Kronenloch blicken kann. Diese Hütte hat sich zwar bei unseren Besuchen nicht als besonders lohnend erwiesen, wird nach Aussage des zuständigen Gebietsreferenten Dirk Leiberger jedoch gerne von Besuchergruppen und Fotografen genutzt. Es bietet sich an, dort kurz vorbeizuschauen, wenn man dem Nationalparkhaus einen Besuch abstattet und so ohnehin ganz in der Nähe ist. Vom NSG Kronenloch fährt man am Deich längs Richtung Norden zum NSG Wöhrdener Loch. Unterwegs gibt es einige obligatorische Haltepunkte: Nachdem man das Siel überquert hat (insbesondere im Herbst und Winter lohnt es sich, das Vorland und die Molen abzusuchen), liegt rechts eine große, im Sommer von zahlreichen Surfern bevölkerte Wasserfläche, das Miele-Speicherbecken. Nördlich des Mielebeckens erreicht man eine Weggabelung, bei der man nach rechts abbiegt. Etwa hundert Meter weiter befindet sich links eine kleine Wasserfläche mit einem Brutfloß für Säbelschnäbler, Küsten- und Flussseeschwalben. Hier kann man auf kürzeste Distanz Enten, Limikolen und Seeschwalben sehen. Odinshühnchen sind hier regelmäßige Gäste. Folgt man der Straße weitere etwa 250 Meter, überquert man einen kleinen Graben. Auch hier lohnt sich ein Zwischenstopp, um Limikolen auf kurze Distanz zu beobachten. Auf dem weiteren Weg nach Norden zum Wöhrdener Loch sollte man das Grünland nach Enten, Gänsen und Limikolen, die Gräben, Büsche und Zaunpfähle nach Singvögeln und den Himmel nach Greifvögeln absuchen.

Das NSG Wöhrdener Loch lässt sich von einer Beobachtungshütte, die westlich des Gebietes am Deichfuß liegt, bestens überblicken. Zusätzlich sollte man auch einige Meter weiter südlich von der Straße aus die nahe gelegenen und von der Hütte aus nicht optimal einsehbaren Flächen absuchen. Limikolen können in den unebenen Wiesen mit vielen Rinnen und nur auf den ersten Blick niedrigen Quellervegetation scheinbar verschwinden. Vom Deich aus hat man einen guten Blick über das gesamte Gebiet. Es ist zu empfehlen, vor einem Besuch einen Blick in den Gezeitenkalender (www.bsh.de) zu werfen. Bei Hochwasser sind die Individuenzahlen rastender Vögel im Koog meist um ein Vielfaches höher als bei Niedrigwasser. Wer in den Dithmarscher Speicherkoog fährt, sollte sein Spektiv auf keinen Fall zu Hause lassen: Limikolen sind klein und die Beobachtungsdistanzen an manchen Stellen relativ groß!

Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Für Besucher des Dithmarscher Speicherkoogs, insbesondere für Schleswig-Holstein-Neulinge, lohnt auch ein Besuch im Nationalparkhaus Wattwurm des NABU (Straße von Meldorf Richtung Hafen, an der Kreuzung vor dem Hafenbecken links abbiegen). Es informiert über die Lebensräume des Gebietes und insbesondere auch über den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Hinter dem Haus führt ein etwa 500 Meter langer Naturlehrpfad durch die verschiedenen Sukzessionsstadien der Vegetation im NSG Kronenloch.

Nördlich der Meldorfer Bucht befindet sich in etwa 20 Kilometer Entfernung die Eidermündung. Hieran schließt nordöstlich direkt das Katinger Watt an, das ebenso wie das Oldensworter Vorland bei Tönning herausragende Gebiete für Vogelbeobachter sind. Bei einer Anreise von Süden in den Dithmarscher Speicherkoog, lohnt es sich, durch die Köge südlich des Dithmarscher Speicherkoogs zu fahren. Die binnendeichs liegenden Flächen werden zwar überwiegend intensiv landwirtschaftlich genutzt, hier suchen jedoch (die im Süden des Kooges brütenden!) Lachseeschwalben im Sommer regelmäßig nach Nahrung.

Thomas Brandt, Cordula Jülch, Kilian Wasmer


*


___Anfahrt___

Mit Bus und Bahn

Mit der Bahn nach Meldorf oder Büsum. Von dort aus mit dem Rad in den Dithmarscher Speicherkoog. Da dieser sehr weitläufig ist und es in ihm keine Bushaltestellen gibt, ist ein Fahrrad notwendig.

Mit dem Auto

Speicherkoog Dithmarschen erreichen Besucher am einfachsten von Meldorf aus. Nach Meldorf gelangt man aus Richtung Heide (A23 von Hamburg) oder Brunsbüttel über die B5 nach Meldorf. In Richtung Wöhrden/Eidersperrwerk abbiegen (Westen). Nach etwa 2 km links ab (Hinweisschild).


___Adressen___

NABU Nationalparkhaus Wattwurm
O. G. Meier-Haus, Meldorfer Hafen, 25704 Meldorf
Tel.: 04832/6264, E-Mail: Wattwurm@NABU-SH.de
Internet http://schleswig-holstein.nabu.de/m03/m03_14/

Öffnungszeiten: Anfang April bis Ende September,
Fr.-So. 14-17 Uhr

Schutzgebietsreferent:
Dirk Leiberger
Heider Straße 12
25704 Meldorf
Tel.: 04832/979493
E-Mail: Speicherkoog@NABU-SH.de

Fremdenverkehrsverein Meldorf/Meldorf-Umland e.V.
Nordermarkt 10, 25704 Meldorf
Tel.: 04832/97800
E-Mail: meldorf-tourismus@t-online.de
Internet: www.meldorf-tourismus.de


___Infomaterial/Literatur___

Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (2007): Ökologischer Reiseführer Schleswig-Holstein. Dithmarscher Marsch. - Online unter http://www.umwelt.schleswig-holstein.de/servlet/is/5639/

Moning, C. & F. Weiß (2007): Vögel beobachten in Norddeutschland. Kosmos Verlag, Stuttgart.

NABU Schleswig-Holstein (o.J): Meldorfer Speicherkoog. NABU Naturschutzgebiete "Kronenloch" und "Wöhrdener Loch". - Online unter http://schleswig-holstein.nabu.de/m04/m04_01/02832.html

Nationalpark Wattenmeer Schleswig Holstein, Hrsg. (2006): Where to watch birds in the Schleswig-Hostein Wadden Sea National Park and Biosphere Reserve; Germany. Bezug über die Nationalparkverwaltung Tönning.


*


Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2008
55. Jahrgang, Januar 2008, S. 5-8
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,60 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 47,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2008