Schattenblick →INFOPOOL →UNTERHALTUNG → REISEN

TOURTIP/896: Helgoland in Schleswig-Holstein (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2008

Helgoland in Schleswig-Holstein
Seevögel, Zugvögel und Seltenheiten auf Deutschlands abgelegenster Nordseeinsel

Von Thomas Brandt, Cordula Jülch und Kilian Wasmer


In der Deutschen Bucht, etwa 67 km südwestlich von Sylt und rund 51 km von der niedersächsischen Festlandsküste entfernt, befindet sich Deutschlands abgelegendste und - ausnahmsweise - felsige Nordseeinsel. Im Tertiär wurden hier Buntsandstein-, Muschelkalk- und Kreideschichten schräg angehoben. Nach und nach wurden diese durch Erosion und in Folge des Zweiten Weltkriegs durch Bombardierungen und Sprengungen teilweise abgetragen. So entstanden die felsige, stark reliefierte, felsige Hauptinsel aus Buntsandstein und die einen Kilometer entfernte, relativ flache Düne aus Muschelkalk und Kreide. Die Felsen Helgolands bieten geschützte Brutplätze für Seevögel; auf der sogenannten Düne lassen sich Möwen, Seeschwalben und Limikolen beobachten. Aufgrund der abgeschiedenen Lage ist Helgoland ein Magnet für Zugvögel, darunter auch immer wieder Seltenheiten. Im Westen der Insel befindet sich das NSG "Helgoländer Lummenfelsen" - das mit einem Hektar kleinste Naturschutzgebiet Deutschlands. Jedoch ist die Brutvogeldichte hier auf den schmalen Felsbändern mit über 10000 Brutpaaren enorm. Der Felssockel, auf dem Helgoland liegt, bietet mit Felswatt und -riffen für Deutschland einzigartige Lebensräume (u. a. mit Tangwäldern). Er umfasst das 5148 ha große Naturschutzgebiet "Helgoländer Felssockel".


Lebensräume

Hauptinsel

Grob lässt sich die Hauptinsel in das Unterland (mit Hafenbereichen, Stränden, etc.), das Mittelland und das Oberland (mit Lummenfelsen und der vorgelagerten "Langen Anna") gliedern. Der Ort verteilt sich überwiegend auf die südöstlichen Teile des Unter- und des Oberlandes.

Das Oberland besteht - abgesehen vom Siedlungsbereich - überwiegend aus beweidetem Grünland. Es ist mit zahlreichen kleinen Bombentrichtern durchsetzt, die ihm ein hügeliges Relief verleihen. Die Insel fällt im Westen steil zum Meer ab, die Klippen sind durch Erosion der unterschiedlich harten Gesteinsschichten mit zahlreichen Felsbändern und Vorsprüngen strukturiert.

Das Mittelland ist ein großer Sprengtrichter. Auf seinem Grund wächst kurzes Gras. Die Hänge sind stark verbuscht, die Kämme dagegen nur schütter bewachsen.

Im Unterland finden sich zahlreiche Lebensräume. Außerhalb des Ortskerns gibt es neben Ruderalflächen (z. B. im Südhafengelände), große mit Büschen bewachsene Flächen (Nordostgelände, Kurpark) eine Parkanlage (Kurgelände), Scherrasen, Strände (Kringel, Nordoststrand) und Molen.


Düne

Die Düne hat einen offenen Landschaftscharakter, größere Sträucher und Bäume fehlen weitgehend. Wie man aus dem Namen herauslesen kann, besteht sie fast ausschließlich aus Sand, genauer aus Sandstrand und den dahinter liegenden Dünen. Diese sind meist mit Strandhafer oder Kartoffelrosen bewachsen. Sie dürfen aus Gründen des Küstenschutzes nicht betreten werden! Daneben gibt es Steinmolen, zwei Teiche und einen Flugplatz.


Besondere Vogelarten

Die Anzahl der Brutvogelarten Helgolands ist mit etwa 34 (2006) recht überschaubar. Das Artenspektrum jedoch ist für Deutschland einzigartig (Individuenzahlen aus 2006): Die Felsbänder und -höhlen, insbesondere des Lummenfelsens und der "Langen Anna", dem Wahrzeichen Helgolands, bieten zahlreichen Seevögeln Brutplätze. Nirgendwo sonst in Deutschland brüten Eissturmvogel, Basstölpel, Trottellumme, Tordalk und Dreizehenmöwe. Hier kann man sie zur Brutzeit alle auf engstem Raum beobachten! Während man den Lummenfelsen gründlich absuchen muss, um die nur etwa 36 Tordalke zu finden, sind die rund 5300 Trottellummen und die 12000 Dreizehenmöwen nicht zu übersehen und nicht zu überhören. Auch die großen Basstölpel (ca. 440) kann man bestens bei ihrer Brut aus nächster Nähe beobachten. Im Südosten der Düne befindet sich auf der Aade eine große Heringsmöwenkolonie mit fast 200 Brutpaaren, kleinere Kolonien finden sich auch in anderen Bereichen der Düne und auf der Hauptinsel.

Neben brütenden Seevögeln lassen sich auf Helgoland zu den Zugzeiten hervorragend rastende Singvögel beobachten. So sind beispielsweise im Oktober zuweilen die Grünflächen mit Rotdrosseln "übersäht" und in nahezu jedem Gebüsch sitzen Wintergoldhähnchen. Auch im Frühjahr gibt es entsprechende Schauspiele. So halten sich während der Zugzeit an manchen Tagen neben zahlreichen Grasmücken, Braunkehlchen und Rotschwänzen massenhaft Steinschmätzer auf der Insel auf. Doch neben den "normalen" Durchzüglern, die auch - wenngleich in geringerer Dichte - auf dem Festland gut zu beobachten sind, finden sich auf Helgoland regelmäßig Seltenheiten. Arten wie Zwergschnepfe, Krabbentaucher, Gelbbrauen-Laubsänger oder Zwergammer können im Herbst bei einem einwöchigen Aufenthalt schon mit hoher Wahrscheinlichkeit gesehen werden. Entsprechendes gilt z. B. für Rotkopfwürger, Grünlaubsänger oder Weißbart-Grasmücke im späten Frühling. Daneben ist Helgoland auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt für seine "Anziehungskraft" auf seltenere, verdriftete Arten. Hier wurden schon viele Arten erstmals in Deutschland nachgewiesen, z. B. Rubinkehlchen, Braunwürger, Gelbkehlvireo oder - erst im vergangenen Jahr - ein Petschorapieper. Dies mag an der isolierten Lage, dem Strukturreichtum und der geringen Größe der Insel liegen, nicht zuletzt jedoch auch an der großen Zahl von Vogelbeobachtern, die regelmäßig jeden Winkel der Insel absuchen.


Reisezeit

Ein Besuch auf Helgoland lohnt sich besonders zu den Zugzeiten im Frühling, Spätsommer und Herbst. Dann herrscht je nach Wetterlage ein reges Treiben auf der Insel und es lässt sich Vieles entdecken. Auch die Chance, eine Seltenheit zu Gesicht zu bekommen, ist zu dieser Zeit am größten. Das Frühjahr ist interessant, da hier sowohl die Brutvögel als auch Durchzügler beobachtet werden können. Basstölpel, Tordalke und Trottellummen sind von Mitte März bis Anfang Juli regelmäßig am Brutplatz zu sehen. Eissturmvögel treffen zwar schon im Winter am Brutplatz ein, sie brüten jedoch erst von Mai bis August. Dreizehenmöwen sind von Mitte März bis Anfang August am Brutplatz anwesend. Im Herbst sind Arten wie Schnee-, Spornammer und Meerstrandläufer meist gut zu sehen, hinzu kommt die Chance auf "östliche" Laubsänger wie z. B. Goldhähnchen- und Gelbbrauen-Laubsänger. Im Sommer (Anfang Juli bis Mitte August) und im Winter (Dezember bis Februar) ist es eher ruhig auf der Insel, was jedoch nicht die eine oder andere interessante Beobachtung ausschließt. So eignet sich der Winter oft gut, um Möwen und Seetaucher zu beobachten, aber auch Seltenheiten wie Tienschan-Laubsänger und Wüstensteinschmätzer (jeweils Ende Oktober bis Dezember) können auftreten.


Beobachtungsmöglichkeiten

Konkrete Beobachtungsplätze für Helgoland zu nennen, ist kaum möglich: Die ganze Insel und jeder Lebensraum - auch der Ort - sind wert, besonders nach rastenden Vögeln abgesucht zu werden. Daher wird im Folgenden nur beispielhaft auf einige Plätze und Arten näher eingegangen. (Die detaillierte Lage und Bezeichnung einzelner Gebiete ist auf der Homepage der OAG Helgoland - siehe unten - dargestellt.)


Hauptinsel

Brütende Seevögel lassen sich im Nordwesten des Oberlandes an den Lummenfelsen und der "Langen Anna" von einem Pfad aus beobachten. Auf der Nordwestmole bei der "Langen Anna" halten sich regelmäßig einzelne Krähenscharben auf. Auf dem Oberland selbst mit seiner kurzrasigen Vegetation rasten oft Pieper, Stelzen, zuweilen auch Goldregenpfeifer und Gänse, in den Bombentrichtern manchmal auch Sumpfohreulen. In der ruderalen und buschreichen Vegetation des Kringels lassen sich oft Rotschwänze, Braunkehlchen, Grasmücken und Laubsänger beobachten. Der Grat zwischen Kringel und Mittelland ist ein hervorragender Beobachtungspunkt für durchziehende Vögel (früh morgens für Singvögel, am Nachmittag für Greifvögel). Im Mittelland, v. a. an dessen Hängen, findet man oft rastende Singvögel in großer Zahl. In einigen Bereichen kann man von oben (d. h. vom Grat aus) in die Büsche sehen, was die Beobachtung der Singvögel oft erleichtert. Ähnliches gilt für die Vegetation um die große Treppe zwischen Unter- und Oberland. Im Kurgelände sind die Büsche und die Rasenflächen interessant für Singvögel. In der ruderalen Vegetation des Südhafengeländes (einschließlich Hubschrauberlandeplatz und Umgebung) lassen sich im Herbst oft Sporn- und Schneeammer gut beobachten. Der Nordoststrand und der Kringelstrand sind für Pieper, Stelzen und Steinschmätzer sowie für Limikolen hervorragend. In den vom offenen Meer geschützten Hafenbecken ruhen sich zuweilen Seetaucher, Gryllteisten, Krabbentaucher & Co. aus, Steinbuhnen werden von Steinwälzer und Meerstrandläufer zur Nahrungssuche aufgesucht. Wer bei Westwindlagen vorbeiziehende Seevögel beobachten möchte, der tut dies - aber außerhalb der Essenszeiten oder mit entsprechendem Abstand - im Windschatten der Jugendherberge.


Düne

Auf der Düne kann man an den Stränden Limikolen und auf den Buhnen rastende Seeschwalben und Nahrung suchende Steinwälzer und Meerstrandläufer sehen. Auf dem Flugplatz, der zeitweise mit Steinschmätzern übersäht ist, rasten oft Pieper und Lerchen. Die beiden Teiche der Düne sind vor allem für in Büschen rastende Singvögel sowie für Zwergschnepfen interessant. Insbesondere am Nordstrand halten sich regelmäßig Seehunde und Kegelrobben auf. Sie lassen sich hervorragend beobachten, sollten aber auf keinen Fall gestört werden.

An dieser Stelle seien auch die alljährlich im Oktober stattfindenden Vogeltage erwähnt - dieses Jahr vom 16. bis 18. Oktober. Hier gibt es Vorträge, Produktpräsentationen, ein Birdrace und v. a. viele Beobachter. Da sich auf Helgoland zeitweise viele Vogelbeobachter aufhalten, wird - um den Vögeln, den Bewohnern der Inselgemeinde, dem Ruf der Beobachter und den Mitbeobachtern nicht zu schaden - dringend gebeten, die auf der OAG Homepage genannten Verhaltensregeln zu befolgen! So ist z. B. der Friedhof für Beobachter tabu. Auf der Düne ist das Wegegebot aus Natur- und Küstenschutzgründen dringend einzuhalten. Damit Beobachtungen kurzfristig kommuniziert werden können, hat sich die Verwendung von Handfunkgeräten bewährt. Wer auf Helgoland beobachtet und keine Seltenheit verpassen möchte, dem sei die (zumal günstige) Anschaffung eines solchen Funkgeräts ans Herz gelegt (Informationen hierzu auf der OAG Homepage).


Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Regelmäßig werden vom Verein Jordsand naturkundliche Führungen auf Helgoland durchgeführt. Informationen hierzu gibt es an der "Hummerbude" des Vereins sowie in allen Schaukästen. Auch eine Führung am Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" ist möglich. Im Sommer lädt die Düne zum Baden ein.

Fährt man im Herbst bei Westwindlage mit der Fähre von Cuxhaven nach Helgoland, lohnt ein Zwischenstopp an der Kugelbake Cuxhaven oder im Bereich des Fährhafens "Alte Liebe". Hier lassen sich zeitweise hervorragend vorbeiziehende Seevögelbeobachten. Auch auf der Überfahrt kann man mit etwas Glück diese Arten beobachten.


*


Infomaterial/Literatur:
Ornithologische Jahresberichte der Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Helgoland e.V.,
Bezug über OAG-Helgoland-JB@gmx.de.


Anreise

Die Fahrpläne der Fähren sind saisonabhängig. Angaben zu Verbindungen und Abfahrtszeiten finden Sie unter folgenden Adressen (bei Starkwinden und Sturm ist zu beachten, dass die Schiffe - vor allem die Katamarane - nicht mehr nach Helgoland fahren können.):

Ab Büsum: Reederei H. G. Rahder, Tel.: 04834/1380,
Fax: 04834/3825, E-Mail: info@rahder.de, www.rahder.de

Ab Bremerhaven (Bustransfer), Cuxhaven, Hamburg und Wedel:
FRS Helgoline GmbH & Co. KG, Tel.: 0180/5221445,
Fax: 0461/86430, E-Mail: info@helgoline.de, www.helgoline.de

Ab Büsum, Cuxhaven: Reederei Cassen Eils, Tel.: 04721/35082,
Fax: 04721/31161, E-Mail: info@helgolandreisen.de, www.helgolandreisen.de

Adressen

OAG Helgoland: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Helgoland e.V. (OAG),
Postfach 869, 27490 Helgoland, www.oag-helgoland.de

Die Homepage der OAG bietet u. a. ausführliche Informationen zu
Beobachtungsgebieten, Beobachtungsmeldungen und den Vogeltagen.
Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland"
www.vogelwarte-helgoland.de

Führungen:

Informationen zu Führungen durch den Fanggarten
der Vogelwarte Helgoland unter Tel.: 04725/64020.
Informationen zu naturkundlichen Führungen des
Vereins Jordsand: Hummerbude 34-35, Tel.: 04725/7787.

Unterkunft:
Kurverwaltung Helgoland, Tel.: 04725/81430, Fax: 04725/814328,
E-Mail: info@helgoland.de, Internet: www.helgoland.de


*


Helgoländer Highlights

Helgoland ist für einige Vogelarten nicht nur der einzige Brutplatz in Deutschland, sondern auch manche durchziehende Arten sind hier bisher ausschließlich oder weit überwiegend für Deutschland nachgewiesen worden. Andere wiederum kann man dort am besten beobachten und fotografieren, da die Entfernungen zu den Vögeln oft sehr gering sind.

Die hier vorgestellten Vögel sollen einen kleinen Überblick über die "Schätze" Helgolands außerhalb der Brutzeit geben. Keine dieser Arten sieht man jedoch selbstverständlich, wenn man nach Helgoland fährt, und es ist unmöglich alle bei einem Aufenthalt zu beobachten. Mit etwas Glück wird man aber die eine oder andere Art entdecken können.

Die besten Jahreszeiten um möglichst viele besondere Arten zu sehen, sind das Frühjahr (April und Mai) und der Herbst (September und Oktober). Die meisten selteneren Arten erscheinen zudem bei östlichen oder südöstlichen Windrichtungen. Trotzdem kann zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter etwas Besonderes auftauchen.


*


Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2008
55. Jahrgang, August 2008, S. 285-289
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,60 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 47,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2008