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TOURTIP/951: Naturpark Schlaubetal mit Reicherskreuzer Heide in Brandenburg (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009

Naturpark Schlaubetal mit Reicherskreuzer Heide in Brandenburg
- Das schönste Bachtal Brandenburgs und endlose Heiden

Von Thomas Brandt, Christoph Moning und Christian Wagner


Als das schönste Bachtal Brandenburgs bezeichnen die Einheimischen das Schlaubetal und das zu Recht. Auf ihrem 20 km langen Lauf nach Norden schlängelt sich das lebhafte Flüsschen durch bis zu 30 Meter tiefe Rinnen und eine abwechslungsreiche sowie naturnahe Waldlandschaft. Ganz im Gegensatz dazu weitet sich der Horizont in der Offenlandschaft der Reicherskreuzer Heide und der Blick streicht über endlose Heiden. Die beiden gegensätzlichen Landschaften bilden das Herzstück des 1995 eröffneten Naturparks, der sich auf 227 km² erstreckt.

Die Gestalt des heutigen Naturparks entstand im Wesentlichen vor 90000 Jahren in der Weichseleiszeit. Prägend sind die Schmelzwasser-Rinnensysteme der Oelse, Demnitz, Dorche und natürlich der Schlaube. Auch die Sanderflächen der Reicherskreuzer Heide entstanden zu dieser Zeit. Über zwei Drittel des Naturparks sind bewaldet. 13 Tier- und Pflanzenarten kommen in Brandenburg nur noch im Naturpark Schlaubetal vor. Dazu gehören der spektakuläre Frauenschuh und die unscheinbare Korallenwurz - beides Orchideenarten. Die Östliche Smaragdeidechse gibt es, außer in einem kleinen Gebiet an der bayerischen Donau, sogar nirgendwo sonst in Deutschland. Der Fischotter besiedelt das Bachtal mit einer stabilen Population, wird aber nur selten gesehen. Bisher wurden fast 200 Vogelarten festgestellt, was umso erstaunlicher ist, da große Wasserflächen, die meist eine große Anzahl an Rast- und Zugvögeln anziehen, fehlen.



Lebensräume

Die Schlaubequelle liegt in einer ausgedehnten Wiesensenke südlich des Wirchensees. Die Schlaube durchfließt auf ihrem Weg nach Norden landschaftlich reizvolle Talabschnitte mit mehreren kleinen Seen und endet als Wiesenbach nach zirka 20 km im Großen Müllroser See, an den sich auch der staatlich anerkannte Erholungsort Müllrose, ein märkisches Ackerbürgerstädtchen und das Tor zum Schlaubetal, befindet.

Der Verlauf der Schlaube ist von Wiesen, Röhrichten und vor allem naturnahen Wäldern gesäumt. Typische Erlenbruchwälder wechseln sich mit Schilf- und Seggenriedern, alten Laubbaumbeständen und Fichten- bzw. Kiefernschonungen ab. Im Naturschutzgebiet Teufelssee bei Schernsdorf wachsen naturnahe Traubeneichen-Kiefern-Mischwälder und ursprüngliche Buchenwälder. Am urtümlichsten und schönsten ist die Schlaube zu erleben, wenn man ihrem Lauf entlang des Schlaubewanderwegs folgt.

Die Reicherskreuzer Heide wurde über lange Zeit als Schießplatz und Panzerübungsgelände genutzt. Im Randbereich wachsen wenig genutzte Wälder. Zentrale Flächen dagegen wurden durch Schieß- und Fahrbetrieb offen gehalten. In der Reicherskreuzer Heide dominieren vor allem Silbergrasfluren und Zwergstrauchheiden. Im Mai sind die trockenen und nährstoffarmen Sanderflächen von gelber Besenginsterblüte und im September von lilafarbener Heidekrautblüte bedeckt. Die fortschreitende Sukzession, die nach dem Abzug der russischen Truppen einsetzte, führt zu vielerlei Übergangsstadien zwischen Offenland und Wald. Im Osten wird die attraktive, offene Heide heute auf einer Fläche von etwa 750 ha durch Beweidung mit Heidschnucken und durch Entbuschung offen gehalten.



Besondere Vogelarten

Durch die Vielfalt der sehr unterschiedlichen Lebensräume lassen sich auf kleinem Raum sehr viele Vogelarten beobachten. Im Schlaubetal leben in den Laubmischwäldern unter anderem Fischadler, Wespenbussarde, Rot- und Schwarzmilane, Hohltauben, Schwarz- und Mittelspechte, Waldlaubsänger, Zwerg- und Trauerschnäpper. Aber auch Nadelwaldarten wie Tannen- oder Haubenmeise, Sommergoldhähnchen und Misteldrossel lassen sich auf einer Wanderung beobachten. An der Schlaube brüten Schellenten, Haubentaucher, neuerdings Gänsesäger, Waldwasserläufer, Eisvögel und Drosselrohrsänger. An den Mühlenbauwerken z. B. der Bremsdorfer und Kieselwitzer Mühle hat die Gebirgsstelze Unterschlupf gefunden.

Ganz anders ist das Arteninventar der trockenen Reicherskreuzer Heide. Arten der offenen Wälder wie Waldschnepfen, Turteltauben, Wiedehopfe (etwa 20 Paare!), Wendehälse und Gartenrotschwänze machen in den Übergangsbereichen Ziegenmelker und Heidelerchen Platz. Die baumfreien oder gerade erst verbuschenden zentralen Flächen sind vor allem von Raubwürgern und Schwarzkehlchen besiedelt. Mit viel Glück kann man auch einen Steinschmätzer oder Brachpieper beobachten.



Reisezeit

Der Naturpark Schlaubetal bietet zur Brutzeit ein sehr abwechslungsreiches Vogelleben. Im März balzen die Spechte, im April ist der Waldwasserläufer am Auffälligsten und Ende Mai kann man sich auf die Suche nach den Zwergschnäppern machen. Die Reicherskreuzer Heide dagegen ist vor allem im Mai interessant. Ziegenmelker und die meisten Wiedehopfe sind bei uns Langstreckenzieher mit Winterquartieren bis südlich der Sahara und kommen deswegen erst spät ins Brutgebiet zurück. Im Naturpark hat man weder zum Frühjahrszug noch im Herbst gute Beobachtungsstellen und im Winter wird es im Gebiet sehr ruhig. Die Reicherskreuzer Heide ist über den Herbst und Winter sogar fast vogelfrei. Ein Besuch des Gebiets lohnt sich daher vor allem zur Brutzeit.



Beobachtungsmöglichkeiten

Zwei besonders lohnende Exkursionen bieten sich an. Die Schlaube lässt sich hervorragend erwandern. Als zentraler Ausgangspunkt eignet sich die Bremsdorfer Mühle (Gasthaus). Sie wurde im 16. Jahrhundert erbaut und ist mit ihrem malerischen Fachwerk die Schönste unter den Schlaubemühlen. Zum Wanderweg von der Bremsdorfer Mühle flussaufwärts zur Kieselwitzer Mühle geht man vom Parkplatz einige Meter nach Westen und dann nach Süden. An der Jugendherberge vorbei und mehr oder weniger durch den Garten der Wirtschaft hindurch trifft man auf den Wanderweg, der in 4,5 km zur Kieselwitzer Mühle führt. Der gut gangbare Weg ist mit einem blauen Querbalken auf weißem Grund gezeichnet. Ende Mai sind mit Glück Zwergschnäpper zu hören. Innehalten kann man z. B. südlich der Kieselwitzer Mühle. An der Schlaube ist auch immer mit Waldwasserläufern zu rechnen. Ein Abstecher zum Jacobsee erhöht die Chancen auf Schellenten und Waldwasserläufer.

Es lohnt auch die Runde um den Großen Treppelsee zu gehen. An der Bushaltestelle etwas östlich der Schlaube führt ein Weg nach Norden Richtung "Scherlauchteich". Der gelbe Querbalken auf weißem Grund ist zu Beginn das Wanderzeichen des am Hangfuß entlang führenden Wanderpfads. Linkerhand im Sumpf wächst Erlenbruchwald, rechts am Hang stehen Kiefern. An der Spitze der Landzunge ist ein Aussichtspunkt über den See. Auf dem Gewässer kann man Haubentaucher beobachten. Fischadler und Schwarzmilane jagen über dem Wasser und Drosselrohrsänger singen aus dem schmalen Schilfsaum am Ufer. Wenn man den See weiter umrundet, sollte man vor allem im nordwestlichen Bereich des Treppelsees wieder nach Zwergschnäppern horchen. Von der Bremsdorfer Mühle bis zur Landspitze in den Treppelsee sind es knapp 2,5 km. Eine Umrundung des Sees ist gut 8,5 km lang.

Die Reicherskreuzer Heide ist, wie alle ehemaligen sowjetischen Liegenschaften in Brandenburg, nicht überall öffentlich zugänglich. Ausnahme ist ein seit 2005 geräumter Lehrpfad ganz im Osten des ehemaligen Truppenübungsplatzes. Man erreicht ihn über Pinnow. Im Dorf zweigt an der Bushaltestelle und einem Telefonhäuschen nach links der Weg in die "Dorfmitte" ab. Man durchquert etwas verwinkelt Pinnow und verlässt den Ort nach Nordwesten auf dem "Reicherskreuzer Weg". Auf der kleinen Asphaltstraße erreicht man 3,3 km nach dem Ortsausgangsschild eine nach rechts abzweigende Sandpiste, wo man parken kann. Hier startet der Rundweg, der zuerst zu einem Beobachtungsturm führt. Auf dem knapp 3,5 km langen Rundweg vorbei an einem Schafstall lassen sich auch Wiedehopfe beobachten.



Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Das Naturschutzgebiet Tauersche Eichen umfasst ein kaum zerschnittenes Waldgebiet mit einem hohen Anteil an alten Eichen. Neben typischen Arten wie Waldschnepfe, Hohltaube, Sperlingskauz und Mittelspecht brüten auch Mauersegler in den alten Baumbeständen und können über der Waldschule am Kleinsee bei der Insektenjagd beobachtet werden. Die Waldschule beziehungsweise den Kleinsee erreicht man, indem man in Pinnow nach rechts Richtung "Pinnower See" abbiegt. Die kleine Straße führt in 4,0 km zur ausgeschilderten Waldschule. Eine Umrundung des Sees, aber auch verschiedene Waldwege vor allem im Nordwesten und Süden des Kleinsees sind sehr lohnend.

Den Findlingspark Henzendorf findet man 1,5 km südwestlich der Ortsmitte des gleichnamigen Orts. 126 Findlinge, die aus einem umliegenden Tagebau stammen und von Künstlern gestaltet wurden, dokumentieren 2000 Jahre Menschheitsgeschichte. Die bis zu 30 Tonnen schweren Kolosse stehen auf einer ca. 4 ha großen Wiese und sind ein beliebtes Ausflugsziel. 2008 brüteten in der Nähe Raubwürger.

Der benachbarte ehemalige Truppenübungsplatz Lieberose beherbergt die größte Panzerwüste Mitteleuropas (sieht man in Google-Maps z. B. sehr gut), darf bislang aber nicht betreten werden. Mittelfristig sollen Teilgebiete entmunitioniert werden. Bis dahin bleiben Vogelbeobachter leider außen vor.

Südlich von Eisenhüttenstadt liegt das 1268 gegründete Kloster Neuzelle. Die geschichtliche Entwicklung des Gebiets ist eng an das Stift gebunden. Das Ensemble mit der Barockkirche ist heute eines der bekanntesten kulturellen Erben in Brandenburg.


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Infomaterial/Literatur:

Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburger Ornithologen (ABBO) (2003): Important Bird Areas (IBA) in Brandenburg und Berlin. Verlag Natur & Text, Rangsdorf.

Beutler, H. (2000): Landschaft in neuer Bestimmung - Russische Truppenübungsplätze. Findling Verlag, Neuenhagen.

Götting-Frosinski, J. (2007): Adler, Otter, Orchideen - Brandenburgs Naturlandschaften. Hrsg.: Landesumweltamt Brandenburg. L & H Verlag, Hamburg, Berlin.

Wagner, C. & C. Moning (2009): Vögel beobachten in Ostdeutschland. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart.

www.schlaubetal.com



Anfahrt:

Mit Bahn und Bus:
Das Beobachtungsgebiet ist zweigeteilt. Um das Schlaubetal zu besuchen, steigt man an den Bahnhöfen Eisenhüttenstadt oder Beeskow in den Bus um, der regelmäßig und in der Woche in gutem Takt die Bremsdorfer Mühle anfährt. Die Reicherskreuzer Heide dagegen ist kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Die nächsten Bahnhöfe befinden sich in Peitz und Guben. Eine Bushaltestelle findet man in Pinnow. Die Busse fahren jedoch unregelmäßig. Mit dem Fahrrad lässt sich die Gegend optimal erkunden.

Mit dem Auto:
Den Zugang ins Schlaubetal, die Bremsdorfer Mühle, findet man an der B 246 Beeskow-Eisenhüttenstadt; 85 km südöstlich von Berlin. Pinnow liegt 90 km südöstlich von Berlin an der B 320 zwischen Lieberose und Guben nur 20 km von der polnischen Grenze entfernt.



Adressen:

Naturparkverwaltung Schlaubetal, Wirchensee, OT Treppeln, 15898 Neuzelle,
033673/422, E-Mail: np-schlaubetal@lags.brandenburg.de, www.naturpark-schlaubetal.de/naturpark;
die Naturparkverwaltung und die Naturwacht bieten im Naturpark Schlaubetal
ein umfangreiches Angebot an Exkursionen, Seminaren, Vorträgen und Führungen an.

Touristeninformation: Fremdenverkehrsverein Schlaubetal und Umgebung e.V.
im Haus des Gastes, Kietz 5, 15299 Müllrose, Tel.: 033606/7729-0,
E-Mail: schlaubetalinfo@t-online.de, www.schlaubetal-online.de.

Bildungs- und Informationszentrum "Schlaubemühle" des
BUND Landesverbands Brandenburg e. V., 15898 Treppeln,
Tel.: 033673-5952, E-Mail: schlaubemuehle@t-online.de, www.schlaubemuehle.de;
Informationszentrum mit Ausstellungsräumen, Beratungsstätte
sowie Platz für 40 Personen für Umweltseminare oder mehrtägige Projekt- und Wandertage.

Stiftung Stift Neuzelle, Stiftsplatz 7, 15898 Neuzelle,
Tel.: 033652/8140, Fax: 033652/81419,
E-Mail: info@stift-neuzelle.de, www.kloster-neuzelle.de.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009
56. Jahrgang, Dezember 2009, S. 445-448
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2009