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GLOSSE/018: Neue Richtlinien für Spaziergänger (Werner Geismar)


Neue Richtlinien für Spaziergänger
Innenministerium: Spaziergänge ab sofort als Demonstration anmeldepflichtig

von Werner Geismar, Juli 2013



Das Innenministerium hat neue Verwaltungsvorschriften für die Bewertung von anmeldepflichtigen Demonstrationen erlassen. Demnach sind ab sofort Spaziergänge als anmeldepflichtige Demonstrationen zu bewerten. Dies trifft auf alle Spaziergänge von mehr als Null Personen zu. In den Ausführungsbestimmungen hierzu heißt es: "Spaziergänge von Gruppen mit mehr als zwei Teilnehmern gelten als Massendemonstrationen." Dies trifft auch ausdrücklich zu für Versammlungen von Einzelpersonen in Begleitung ihrer Haustiere auf sogenannten "Hundewiesen". Seien solche spontanen Versammlungen nicht angemeldet, müssten die Teilnehmer mit dem Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray rechnen. Diese neuen Verwaltungsvorschriften werden in ihren Durchführungsbestimmungen durch neue Verhaltensvorschriften für Spaziergänger, die ihren Spaziergang als Demonstration angemeldet haben, ergänzt. So müssen ab sofort Spaziergänger, die anderen Spaziergängern begegnen, beide Hände über den Kopf heben, um ihre friedlichen Absichten zu bekunden und um eine möglichst reibungslose Durchsuchung durch Polizeikräfte zu gewährleisten. Ferner wird ab sofort der direkte Blickkontakt mit anderen Spaziergängern als Vorbereitung zu einer möglichen Straftat untersagt. Das Tragen von Mützen, Hüten, Baseball-Caps und Schals bei Spaziergängen fällt ab sofort unter das Vermummungsverbot und wird untersagt. Ferner wird jeder Spaziergänger verpflichtet, ein eingeschaltetes Smartphone bei sich zu tragen, damit eine sofortige Ortung durch in- und ausländische Geheimdienste gewährleistet ist. Ab sofort können Spaziergänge auf nicht Video überwachten Wegen nicht mehr genehmigt werden und sind verboten. Parallel zu diesen neuen Vorschriften kündigte das Innenministerium die Einrichtung einer "Spaziergang-Sünder-Kartei" an, in der alle Vergehen gegen die neuen Vorschriften erfasst werden. Neben einem entsprechenden Bußgeldkatalog ab 10.000 EUR aufwärts müssen Bürger, die ihr Punktekontingent überschreiten, von mit elektronischen Fußfesseln überwachtem Hausarrest bis zu lebenslangem Spaziergangverbot rechnen.


Die Meinungsfreiheit schließt das unbequeme Recht auf Kritik, Witz, Satire, das Spiel mit Symbolen und Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten ein.

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Quelle:
© 2013 by Werner Geismar, Remagen
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013