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GLOSSE/019: Deutsche Post überrascht mit neuem Brief-Verteilsystem (Werner Geismar)


Deutsche Post überrascht mit neuem Brief-Verteilsystem
Post-Chef Frank Appel: "Wir schließen eine große Sicherheitslücke!"

von Werner Geismar, Juli 2013



Die Deutsche Post hat dem massiven Druck der Bundesregierung nachgegeben und ihr Brief-Verteilungssystem unter voller Berücksichtigung des Post- und Fernmeldegeheimnisses grundlegend reformiert. Bundesinnenminister Friedrich hatte noch jüngst bei einem Treffen mit den Innenministern der Länder die Deutsche Post scharf kritisiert. "Es geht ja wohl nicht an, dass jeder jedem etwas schreiben kann, ohne dass die Behörden davon Kenntnis haben! Das werte ich als Beihilfe zur potentiellen Strafvereitelung."

Nun hat die Post endlich reagiert und ihr Zustellsystem geändert. "Kernstück unseres reformierten Zustellsystems ist: Die Deutsche Post liefert grundsätzlich keinen Brief mehr an den Adressaten aus, sondern eine sehr komplexe Software garantiert, dass jedes Schriftstück an einen Adressaten gelangt, für den es nicht bestimmt war. Damit ist eine öffentliche Kontrolle bei voller Transparenz der Briefinhalte gewährleistet, ohne dass dies den Staat auch nur einen einzigen Cent kostet. Wir schließen eine große Sicherheitslücke."

Die Pläne der Deutschen Post hatten eine positive Resonanz, erschienen aber einigen Politikern ergänzungsbedürftig. So kommentierte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen: "Ich werde darauf dringen, dass Briefe von Hartz-IV-Empfängern von der Deutschen Post grundsätzlich auf ihre örtliche Arbeitsagentur umadressiert werden." Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler zog nach: "Damit endlich Waffengleichheit zwischen dem notorisch benachteiligten BDI und den Verbraucherverbänden hergestellt wird, verlangt die FDP, dass der Briefverkehr von Verbraucherschutzstellen umfassend an den BDI umadressiert wird."

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich anlässlich einer Fragestunde im deutschen Bundestag über das Bienensterben zu diesem Thema: "Zwar hat die Umstellung des Brief-Verteilsystems durch die Deutsche Post vordergründig nichts mit dem massenhaften Bienensterben zu tun, aber ganz sicher kann man auch in diesem Falle nicht sein. Ich kann aus meiner Sicht der Dinge nur sagen: Die Bundesregierung hat unter meiner Führung immer schon eine umfassende Desinformation der Öffentlichkeit betrieben. Deswegen begrüße ich, dass die Desinformation nun auch die Chance hat, alle privaten Bereiche zu durchdringen." Sie fügte noch augenzwinkernd hinzu: "Meine Post wird sowieso von den Sekretärinnen des Kanzleramts erledigt. Also interessiert mich dieses Problem nicht wirklich."


Die Meinungsfreiheit schließt das unbequeme Recht auf Kritik, Witz, Satire, das Spiel mit Symbolen und Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten ein.

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Quelle:
© 2013 by Werner Geismar, Remagen
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2013