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SCHLUCKAUF/0019: Umarmung für Arme - Nachtisch & Satire (SB)


Umarmung für Arme


Die Methode, Menschen durch Zerstörung ihrer Lebensverhältnisse etwas wegzunehmen, um es ihnen später als neue Errungenschaft der Zivilisation zu gesalzenem Preis zum Kauf anzubieten, ist alt, aber immer noch nutzbringend. Kein Wunder also, daß findige Geschäftsleute sich aus dem Pool der letzten verbliebenen, noch-nicht- kommerzialisierten menschlichen Gesten bedienen, um sie sukzessive dem Markt einzuverleiben. Beispielsweise plant der Discounter Lädl, der vom Hauptkonkurrenten Oldi u.a. durch dessen besseres Image ausgestochen wird, im kommenden Jahr für jede Filiale mindestens einen professionellen "Huggy" einzustellen.

Ein "Huggy" (engl. hug = Umarmung) ist ein psychologisch speziell geschulter Werbeassistent, der neben profunden Kenntnissen des Warensortiments über ein angenehmes Äußeres und im wahrsten Wortsinn über Fingerspitzengefühl verfügt. Seine Aufgabe ist es, sich Kunden beratend zu nähern und auf unaufdringliche Weise Körperkontakt zu ihnen herzustellen. Das Annäherungsspektrum reicht dabei von einer flüchtigen Berührung an Arm oder Schulter bis hin zu einer kurzen, herzlichen Umarmung und soll den Kunden emotional aufbauen.

In einem Lädl-Einkaufsmagazin wird dem Kunden das Kürzel CSR als "Corporate Social Responsibility", zu Deutsch "soziale Verantwortung eines Unternehmens" erklärt und versichert: "Wir von Lädl nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst." Ganz in diesem Sinne wird der zunehmenden Isolation und Vereinsamung vieler Menschen durch den Einsatz der "Huggies" Rechnung getragen. "Ein Service, den der Kunde unbedingt anerkennen wird", versichert der Leiter der Marketing-Abteilung des Unternehmens.

Bei der Konkurrenz, so wird gemunkelt, denke man inzwischen laut über die gesetzlichen Möglichkeiten des Einsatzes von Kindern als "Shopping- Sweeties" nach.

15. September 2008