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SCHLUCKAUF/0034: Genußfrüherziehung - Nachtisch & Satire (SB)


Genußfrüherziehung


Schmeckt das aber lecker! Genau wie früher die Brausebonbons in dem kleinen Eckladen mit der Glocke über der Tür und dem Sarotti-Mohr im Schaufenster! Die meisten kennen derartige Erlebnisse. Ausgelöst durch eine ganz bestimmte Kombination von Geschmacks- und Konsistenzreizen (z.B. Brausepulverprickeln) kehren unvermittelt lange verschüttete Kindheitserinnerungen zurück. Ein Phänomen, das in Zukunft nutzbar gemacht werden soll.

Die Möglichkeit, über die olfaktorischen und haptischen Sinne eine Art positive frühkindliche Prägung auf spezielle Lebensmittelqualitäten zu erzielen, soll jetzt helfen, angesichts der voraussehbaren Nahrungsmittelverknappung bei künftigen Generationen extremen Mangelgefühlen entgegenzuwirken. Daher sollen Kinder in Zukunft dazu angehalten werden, aromastoffhaltige und zelluloseangereicherte Lebensmittel zu sich zu nehmen, um später, wenn es für viele keine erschwinglichen Alternativen mehr zu sogenanntem Designer-Food gibt, auch Surrogate geschmacklich und konsistenzmäßig als befriedigend zu empfinden.

Schon im übernächsten Jahr will der Gesetzgeber vor allem für staatlich finanzierte Kitas, aber auch Vor- und Grundschulen die Einführung einer sogenannten Genußfrüherziehung verbindlich machen. Wer dabei gleich an Himbeergelee und Marzipanmasse denkt, liegt allerdings weit daneben. Vielmehr sollen die Kinder zunächst mit synthetischen Geschmacks- und Konsistenznachbildungen von Brot, Möhren, Erbsen und Hähnchen in angenehmer, entspannter und durch Zuwendung getragener Atmosphäre vertraut gemacht werden.

Die Bemerkung eines linken Sozialdemokraten, man würde auf diese Weise zwischen der Bevölkerungsschicht, die ihre Kinder in Privatkindergärten und -schulen weiterhin "natürlich" ernähren ließe und den Normalbürgern buchstäblich das Tischtuch zerschneiden, wies ein Regierungssprecher als abgeschmackt zurück.

4. Februar 2009